Microsoft Clarity als Ergänzung in der Webanalyse
Microsofts kostenfreies Analyse-Tool erlaubt spannende Einblicke in die User Experience
Karsten Buth, 10. Februar 2023
Einmal installiert sammelt Clarity Daten über die Nutzung einer Website. Es erfasst, wie Besucher mit einer Seite interagieren, wie lange sie bleiben, wie weit sie in einem Dokument herunter gescrollt sind und wo sie geklickt haben. Für Website-Betreiber lassen sich damit spannende Fragestellungen analysieren: Verstehen Besucher die Website-Navigation? Werden auf der Startseite eher die Teaser oder das Hauptmenü geklickt? Und wo und warum springen Besucher im Checkout-Prozess ab?
Inhalt dieses Beitrags
Was ist Microsoft Clarity?
Googles zögerliche Reaktion auf das im Dezember 2022 veröffentliche ChatGPT von OpenAI bringt Microsoft gerade reichlich Rückenwind für das eigene Web-Portfolio. Die darauffolgende Integration von Elementen Künstlicher Intelligenz (KI) in die Microsoft-Suchmaschine Bing sorgt nun außerdem dafür, dass sich Website-Betreiber endlich auch eingehender mit den Bing Webmaster Tools, dem Pendant zur Google Search Console, befassen. Dort findet sich recht prominent der Link zu Microsofts Geniestreich in Sachen kostenfreier Webanalyse: Clarity.
Weil nun immer mehr Menschen beginnen, Bing ernst zu nehmen, kommen sie nun also auch vermehrt mit Clarity in Berührung und stehen vor der Frage: Was ist das eigentlich?
Kurz gesagt: Clarity ist ein weiteres Webanalyse-Tool und steht, ebenso wie Google Analytics, kostenlos zur Verfügung. Microsoft verfolgt mit Clarity jedoch einen etwas anderen Auswertungszweck als das weitverbreitete Produkt des Wettbewerbers. Hier wird ein enger Fokus auf zwei Aspekte gelegt: Die User Behavior und die Customer Journey. Wer neugierig geworden ist, kann auch ohne Anmeldung diese Demo von Clarity probieren.
User Behavior
Die User Behavior beschreibt das Verhalten, die Aktionen und Interaktionen einer Person mit einer digitalen Plattform oder Anwendung. Dafür werden unter anderem das Scrollen auf einer Webseite, das Klicken auf Links, das Teilen von Inhalten, das Abonnieren von Newslettern oder der Kauf von Produkten der Nutzer getrackt. Das Ziel: Ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse und Vorlieben einer Zielgruppe zu gewinnen und dadurch bessere Entscheidungen bezüglich des eigenen Webangebots treffen zu können.
Microsoft Clarity bietet hierzu Analysen in Form von Heatmaps an. Darunter sind Abbildungen einer Website zu verstehen, auf denen beispielsweise mit farbigen Flächen markiert ist, welche Bereiche oft geklickt wurden.
User Behavior: Das Heatmap-Feature am Beispiel der Homepage von Microsoft Clarity
Customer Journey
Die Customer Journey beschreibt hingegen die Gesamterfahrung, die ein Kunde oder Besucher im Zusammenhang mit einer Website hat. Gemeint ist damit der Weg, den ein Besucher oder Kunde geht, um relevante Entscheidungen zu treffen. Das kann neben dem Online-Kauf auch das Ausfüllen eines Kontaktformulars oder die Suche nach einem Fachhändler sein.
Um greifbar zu machen, wie Besucher eine Website nutzen, können in Microsoft Clarity aufgezeichnete Sessions angesehen und nachverfolgt werden. Die Session Recordings können dabei helfen zu verstehen, mit welchen Elementen einer Website Probleme auftreten oder über welche Navigationswege ein Besucher zu seinem Ziel gelangt.
Customer Journey: Auszug aus der Wiedergabe einer Session in Microsoft Clarity
Kann Microsoft Clarity andere Webanalyse-Tools ersetzen?
Die recht enge Fokussierung von Microsoft Clarity macht schnell klar: das Tool versteht sich nicht als Alternative zu Google Analytics, sondern als eine Ergänzung dazu. Denn beide Top-Features (Heatmaps, Session Recording) bietet der Wettbewerber derzeit nicht.
Besonders interessant kann es für Website-Betreiber sein, beide Dienste miteinander zu verbinden. Tatsächlich ist das technisch möglich. in der Folge werden dann sowohl die Ansichten in Analytics als auch in Clarity um Querverlinkungen zu jeweils anderen Analysedienst ergänzt. Microsoft zeigt das recht eindrucksvoll auf der eigens eingerichteten Hilfeseite zum Thema Clarity + Google Analytics.
Für kostenpflichtiges Webanalyse-Tools wie Clicktale, Hotjar oder Crazy Egg stellt das kostenlose Angebot von Microsoft ein Problem dar, denn hier sind die Ähnlichkeiten groß: Klickpfade und Heatmaps allein reichen als Verkaufsargument nicht mehr aus. Je nach Anbieter werden deshalb die darüber hinaus gehenden Features zur Kollaboration oder Feedback- und Umfragefunktionen betont.
Besonders schwierig wird es für den kostenpflichtigen Wettbewerb seit Microsoft im August 2022 ein Browser-Plugin veröffentlichte: Clarity Live. Wer es installiert und anschließend seine eigene Website besucht, kann sich direkt auf der jeweiligen Seite die zugehörige Heatmap einblenden lassen oder sich Session Recordings ansehen.
The Microsoft Clarity Live extension helps you easily see where users engage with your site, where they get stuck, and test out new ideas. You don’t have to go to a separate website or comb through columns of data to get the info you need, either.
Microsoft Clarity Live – Google Chrome Extension
Clarity-Dashboard: Ausgewählte Insights zur Website-Nutzung
Heatmaps und Session-Recording: Passt das zur DSGVO?
Wenn Clarity Sessions aufnimmt und dabei auch die Eingaben von Nutzern protokolliert, könnte es mit der Anonymität schnell vorbei sein. Wer würde schon gern einem Microsoft-Dienst erlauben, auf einer Website Benutzernamen und Passwörter oder seine Kreditkartenangaben mitzulesen und dem Website-Betreiber zu präsentieren. Tatsächlich blendet Clarity automatisiert Informationen und Nutzereingaben aus, bei denen es persönliche Rechte gefährdet sieht. Funktioniert das in Einzelfällen nicht zuverlässig, können und müssen Website-Betreiber selbst Hand anlegen und im Quellcode bestimmte Bereiche als anonym maskieren. Darüber hinaus ist der Einsatz auf Websites mit sensiblen Daten nicht gestattet. Dazu gehören beispielsweise Internetauftritte mit Gesundheitsangeboten (u.a. Krankenkassen) oder Finanzprodukten (u.a. Online-Banking).
Klar ist: Clarity muss Cookies beim Besucher einer Website setzen, um funktionsfähig zu sein. Spätestens damit steht fest, dass die Verwendung erst beginnen darf, wenn Besucher dem Setzen des Cookies und der Verwendung der Daten per Cookie Consent aktiv zugestimmt haben.
Clarity selbst wirbt damit, DSGVO- und GDPR-fähig zu sein. Es wird außerdem betont, dass es auf Open Source basiert. Letzteres ist zwar ein hilfreicher Transparenzhinweis, kann aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass selbstverständlich auch Microsoft seinen Vorteil aus der kostenlosen Bereitstellung des Dienstes ziehen möchte.
In den Datenschutzhinweisen zu Clarity wird Microsoft dann auch endlich deutlich: Das Analyse-Tool dient der Profilbildung zu Werbezwecken über mehrere Websites hinweg. Das ist kein neues Modell, auch Google geht mit Analytics ähnlich vor und spätestens durch den Code-Leak bei Yandex wissen wir, dass die sogenannten User Signals wie Verweildauer, Absprungrate oder Anzahl Klicks das Ranking einer Website in den Suchmaschinen beeinflussen.
„Wenn Bing besser versteht, wie Websites genutzt werden, können wir bessere Suchergebnisse anbieten.“
Meedia – Ist Microsoft Clarity der perfekte Partner für Google Analytics?
Das Wichtigste in Kürze
Microsoft Clarity ist ein kostenloser Webanalyse-Dienst von Microsoft, der auf Basis von Open Source entwickelt wurde. Mit ihm können Website-Betreiber Insights zu User Behavior und Customer Journey erhalten.
Heatmaps und Session Recordings bilden das Herzstück von Microsoft Clarity. der kostenfreie Dienst ist damit ein wichtiger Wettbewerber zu anderen Diensten, die vor allem durch aussagekräftige Heatmaps überzeugen wollen.
Microsoft selbst gibt auf der Clarity-Website an, dass das Webanalyse-Tool DSGVO-fähig ist. in jedem Fall wichtig: Es braucht einen Hinweis in den Datenschutzhinweisen der Website und das Sammeln der Daten/Setzen des Cookies darf erst nach aktiver Zustimmung des Besuchers beginnen.